Lebensmittel-Wertschöpfungskette muss in heimischer Hand bleiben – Düngemittelversorgung extrem angespannt
Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine wurden mehrere weltweite Lieferketten im Bereich der Wirtschaft mit massiven wirtschaftlichen Folgen unterbrochen. In der Agrar- und Lebensmittelproduktion stellt aktuell vor allem die Düngemittelproduktion und -versorgung einen sehr kritischen Bereich dar. Hier war die Preis- und Versorgungslage schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges extrem angespannt. Gas macht als zentraler Energieträger in der Düngemittelproduktion etwa 70 Prozent der Gesamtkosten aus. Die weiter steigenden Gaspreise führen aktuell zu Rekordpreisen bei Düngemitteln, sofern diese überhaupt am Markt verfügbar sind. Namhafte Düngemittelanbieter sind aktuell vom Markt gegangen, womit der Agrarhandel aktuell keinen Dünger zukaufen kann. Vor diesem Hintergrund fordert Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Waldenberger von den Eigentümern einen Stop des Verkaufs der Düngemittelsparte der Borealis an einen russischen Eigentümer.
„Die Corona-Krise und nun der Ukraine-Krieg mit den vielen noch nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen sollten uns allen eine Mahnung sein. Die Sicherung unserer Ernährungssouveränität muss oberste wirtschaftliche Priorität haben. Daher müssen wir auch die Düngemittelproduktion bei Stickstoff als zentralen Pflanzennährstoff in heimischen Händen behalten, um in denkbar extremen Krisensituationen die volle und leistbare Versorgung mit Lebensmitteln in Österreich und Europa garantieren zu können“, betont Waldenberger.
Kritische Situation bei Düngemittel-Versorgung
Für einen wesentlichen Teil der westeuropäischen Düngemittelproduktion wird Ammoniak als Rohstoff aus Russland zugekauft. Dabei wurde russisches Ammoniak bisher überwiegend über eine Transportleitung durch die Ukraine zum Hafen nahe Odessa transportiert, von wo aus es nach Europa verschifft wurde. Die aktuellen Kriegshandlungen in der Ukraine haben nun aus Sicherheitsgründen zur Stilllegung dieser Pipeline geführt. Aber auch in der Ukraine stehen Stickstoff-Produktionswerke still. Russland hat zudem für Februar und März ein Exportverbot für den Stickstoffdünger Ammoniumnitrat verhängt. Weiters hat die USA Sanktionen gegen Kali-Exporte aus Weißrussland verhängt. Dieses Land ist aktuell der zweitgrößte Kali-Exporteur weltweit. Damit wurde auch die weltweite Versorgung mit Kali in eine angespannte Lage gebracht. Zudem hat China Anfang Oktober 2021 ein Exportverbot von Phosphat bei allen staatlich geführten Unternehmen eingeführt, welches bis Juni 2022 gilt. China ist der weltweit größte Exporteur von Phosphat. Dadurch wurden zuletzt alle Preise für Handelsdünger ausgehend von einem ohnehin sehr hohen Niveau nochmals nach oben getrieben.
Versorgung gesichert, aber Preisentwicklung unabsehbar
Die Landwirtschaftskammer hat aufgrund der ständig steigenden Preise seit Herbst bereits mit Nachdruck wiederholt eine rechtzeitige Bedarfsdeckung empfohlen. Dem sind viele Betriebe nachgekommen, der Gesamtbedarf an Düngemitteln für die heurige Erntesaison ist aber noch nicht gedeckt. Damit ist die Lebensmittelversorgung für das bevorstehende Wirtschaftsjahr zwar gesichert, die tatsächliche Preisentwicklung ist aufgrund der internationalen Situation aber schwer vorhersehbar. Diese wird vor allem von der weiteren Entwicklung der Düngemittelversorgung weltweit und den agrarischen Produktionsmöglichkeiten in der Krisenregion Ukraine geprägt sein. „Die Ukraine ist am Weltmarkt ein wichtiger Exporteur bei Weizen, Mais und Ölsaaten. Wir müssen daher aus der aktuellen Krise die richtigen Lehren ziehen und insbesondere die gesamte Agrar- und Lebensmittelwertschöpfungskette in österreichische beziehungsweise europäischer Hand behalten. Ein Borealis-Ausverkauf der Düngemittelsparte wäre vor diesem Hintergrund eine absolut falsche und nicht verantwortbare Entscheidung“, betont LK Präsident Waldenberger abschließend.