Tierhaltung auf den heimischen Höfen ist herzeigbar
Gesellschaftliche Erwartungen und Realität auf den Märkten klaffen in der Nutztierhaltung oft auseinander. Die bäuerlichen Betriebe sind gegenüber Weiterentwicklungen aufgeschlossen, die Frage ist, was wirtschaftlich machbar ist. „Bäuerinnen und Bauern betreiben die Nutztierhaltung voller Engagement. Sie sind Neuerungen gegenüber aufgeschlossen und investieren in Tierwohl-Systeme und Digitalisierung. Der Besuch von Verarbeitungsunternehmen zeigte, dass die Haltungsform der Tiere auch in der Verarbeitung eine große Rolle spielt. Das verursacht Kosten, weil kleinere Chargen verarbeitet werde müssen. Derzeit wird bei den Lebensmitteln aber nur über den Preis diskutiert, weil diese wieder möglichst billig sein sollen. Die bäuerlichen Produzenten werden auf das Preisthema zurückgeworfen und unsere Bemühun-gen um Differenzierung werden dadurch konterkariert“, erläutert LK OÖ-Präsident Franz Waldenberger.
Wie die Schweinehaltung in der Zukunft aussehen kann, das wurde gleich bei der ersten Station der Reise sichtbar, am Tierwohl100-Betrieb von Petra und Christian Bauer in Peuerbach. Sie führen einen kombinierten Schweinezucht- und Mastbetrieb mit 70 Zuchtsauen und 320 Mastschweinen. „Die meiste zusätzliche Arbeit entsteht bei uns dadurch, dass wir die Ringelschwänze nicht mehr kupieren. Das verdoppelt die Arbeitszeit mit den Ferkeln“, so die Betriebsleiter. Bis 2030 sollen 25 Prozent der Schweine, also rund eine Million, aus Tierwohl-Haltungssystemen kommen.
„Wir haben viele Interessenten, die in Tierwohl-Ställe investieren wollen. Wir können diese Schiene aber nur ausbauen, wenn auch Absatz und Zuschläge gesichert sind“, betont VLV-Geschäftsführer Hans Schlederer. „Dieses Ziel wurde vor Inflation und Krieg definiert“, ergänzt Michael Wöckinger, Leiter der Abteilung Tierhaltung, LK OÖ. „Dramatisch ist die Situation in der Zuchtsauenhaltung: Dort könnte uns die Hälfte der derzeit 1.000 spezialisierten Ferkelerzeuger in OÖ wegbrechen“, so VLV-Ferkelring-Geschäftsführer Hans Stinglmayr.
Am Schlachthof Großfurtner in St. Martin im Innkreis wurde sichtbar, wie wichtig Qualität und Verarbeitungstiefe für den Erfolg am Markt sind. „Wir hinterfragen ständig unsere Verarbeitungsprozesse von der Schlachtung über die Zerlegung bis hin zum Portionieren“, so Firmenchef Rudolf Großfurtner. Zur Firmenphilosophie gehört auch eine ausgeklügelte Energieversorgung mit einer Biogasanlage, die im Wesentlichen mit Schlachtabfällen betrieben wird.
Beim Besuch von Berglandmilch-Obmann Stefan Lindner auf seinem Betrieb in Oberndorf/Tirol und der Tirol Milch in Wörgl kam vor allem zum Ausdruck, wie wichtig der Genossenschaftsgedanke für die Bäuerinnen und Bauern ist. „Wir haben eine starke Vorteilsgemeinschaft für unsere 9.000 Lieferanten. Der große Vorteil unserer Landwirtschaft ist der, dass die familiengebundenen Bauernhöfe ein stabiles System bilden. Für den Erhalt dieses Systems setze ich mich ein“, so Stefan Lindner. Ein österreichischer Landwirt hat im Schnitt 23 Milchkühe (in Deutschland sind es 60) und 75 Prozent der Milch wird im Berggebiet produziert. „Wenn es, so wie derzeit, in der Diskussion nur mehr um den Preis geht, dann können wir die Milch von den Almen nicht mehr sammeln. Wir haben in der Produktion einen strengen Wertekatalog und eine hohe Milch-Diversität geschaffen. Darüber wird momentan in der Gesellschaft nicht mehr geredet, sondern nur mehr über den Preis“, bedauert Berglandmilch Geschäftsführer Josef Braunshofer. Im Gespräch mit Stefan Lindner wurde weiters deutlich, wie wichtig gerade in Tirol das Zusammenspiel zwischen Gastronomie, Tourismus und Landwirtschaft ist. „Wir brauchen diese Symbiose und deswegen bin ich dafür, die Anonymität nicht nur in der Gemeinschaftsverpflegung aufzuheben, sondern auch in der Gastronomie“, betont Lindner.
Das Zusammenwirken von Konsumenten und Bauernhof wird auch am Ensmannhof bei Claudia und Hansjörg Landmann in Oberndorf/Tirol gelebt: 30 sogenannte „Jahrlinge“, also Jungrinder, werden dort jährlich über Direktvermarktung verkauft. „Unser Schatz sind die 250 E-Mail-Adressen unserer privaten Kunden, an die wir gegen Vorbestellung verkaufen“, so Landmann, der als zweites Standbein Ferienwohnungen vermietet.
„Das Ziel meiner Anstrengungen ist es, dass wir in Tirol auch die kleinen Betriebe erhalten. Im Paznaun haben wir teilweise Betriebe mit ein, zwei Kühen. Wir brauchen diese Höfe aber zum Erhalt des Sommertourismus‘, denn für diesen sind gepflegte Almen eine wichtige Voraussetzung“, betont LK Tirol-Präsident Josef Hechenberger, der sich bei Rindern für die Kombinationshaltung ausspricht. Eine wichtige Zusatzmarke für die Tiroler Landwirtschaft ist Urlaub am Bauernhof. In Tirol gibt es jährlich 50 Millionen Nächtigungen. Weiteres wichtiges Thema in der Tiroler Landwirtschaft sind der Wolf und der Bär. „In der Wildschönau hat gerade ein Bär ein Reh gerissen, Wolfsrisse sind an der Tagesordnung. Wir können uns beim Wolf keine Koexistenz vorstellen und brauchen eine schnellere Entnahme“, so Hechenberger.
Der Besuch im Tann-Werk bei Spar zeigte Vermarktungstrends beim Fleisch auf: Die Billigschiene erzielt enorme Zuwächse, auch das Premium- und das Bio-Segment sind derzeit relativ stabil, große Einbrüche gibt es aber im mittelpreisigen Segment. „Fleisch ist in unseren Breiten auch kein Klimakiller. Wir haben genug Wasser und die Weiden und Wiesen können nur über den Nutztiermagen veredelt werden“, betont Tann-Konzernleiter Andreas Stieglmayr. Tann hat insgesamt 2.900 Mitarbeiter, im Tiroler Werk wird hauptsächlich Rohwurst erzeugt. Wöchentlich werden bei Tann 50.000 Bio- oder Tierwohl-Schweine verarbeitet, das sind drei Prozent der insgesamt verarbeiteten Schweine.
Abschließend wurde am Betrieb von Karl und Theresia Neuhofer in Straßwalchen deutlich, wie Milchviehhaltung mit zwei Melkrobotern für 90 Kühe, die Produktion von Qualitäts-Belüftungsheu und die Zusammenarbeit von zwei Generationen auf einem Betrieb gut gelingen kann. „Heumachen ist meine Leidenschaft“, so Karl Neuhofer, Gründungsobmann der ARGE Heumilch Österreich mit 7.000 Mitgliedern.
„Bei dieser Reise haben wir zwar nur einen kleinen Ausschnitt der Nutztierhaltung gezeigt, wir konnten aber vermitteln, was es für wirtschaftlich machbare Tierhaltung braucht“, so Kammerdirektor Karl Dietachmair abschließend.