Harter Brexit wäre massive Belastung für Agrarmärkte
Großbritannien ist zwar mit 31. Jänner des heurigen Jahres aus der EU ausgetreten, die britische Wirtschaft ist aber noch bis Ende des Jahres Teil der EU-Zollunion bzw. des EU-Binnenmarktes. Um weiterhin enge Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den verbleibenden EU-Ländern und Großbritannien zu ermöglichen wird seit dem formellen Austritt über ein Freihandelsabkommen verhandelt. Dabei wurden aber bisher kaum wesentliche Verhandlungsfortschritte erzielt. „Die Landwirtschaftskammer drängt auf einen baldigen positiven Abschluss der Freihandelsgespräche um einen drohenden Doppelschlag für die Agrar- und Lebensmittelmärkte durch den Brexit und die sich neuerlich verschärfende Corona-Situation in Europa zu vermeiden. Die Brexit-Verhandlungsführer müssen nun alles in ihrer Macht stehende tun, um eine Aufrechterhaltung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auch nach dem mit Jahresende anstehenden Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt sicherzustellen“, appelliert LK-Präsidentin Michaela Langer-Weninger.
Großbritannien ist wichtiger EU-Agrar- und Lebensmittel-Exportmarkt
Großbritannien nimmt innerhalb Europas insofern eine Sonderstellung ein, als es bei Agrargütern und Lebensmitteln lediglich eine Selbstversorgungsrate von etwa 60 Prozent aufweist. Im vergangenen Jahr 2019 wurden aus den anderen EU-Ländern Agrargüter und Lebensmittel im Wert von 58 Mrd. Euro nach Großbritannien exportiert. Dabei geht es vor allem um Milcherzeugnisse, Fleisch und verarbeitete Lebensmittel.
Im Falle eines harten Brexit, also im Falle eines Austritts aus der Zollunion ohne Freihandelsabkommen, würden im Handel mit Großbritannien zukünftig die WTO-Regeln gelten und damit gerade bei Milch- und Fleischprodukten erhebliche Zollsätze zur Anwendung kommen. Dazu kommen sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse, wie unterschiedliche Produktionsstandards, veterinäre und phytosanitäre Kontrollen sowie Abfertigungskosten die Exporte nach Großbritannien in diesem Fall weiter verteuern würden. Ein EU-Freihandelsabkommen mit Großbritannien muss vor allem darauf abzielen, gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu gewährleisten.
Durch jahrzehntelang gewachsene Verflechtungen im EU-Binnenmarkt würde insbesondere der Agrarhandel und damit die gesamte Land- und Lebensmittelwirtschaft die Auswirkungen eines No-Deal-Brexit massiv zu spüren bekommen.
Unsicherheit als Belastung für die Märkte
Weniger als vier Monate vor dem Ende der Brexit-Übergangsphase ist derzeit völlig offen, unter welchen Bedingungen Agrar- und Lebensmittelexporte ab Jänner nach Großbritannien stattfinden können. Direkte Exporte der österreichischen Agrar- und Lebensmittelexporte nach Großbritannien spielen zwar keine allzu große Rolle, die österreichischen Produzenten wären aber im Falle eines harten Brexit von den indirekten Auswirkungen durch den stark steigenden Markt- und Preisdruck am EU-Binnenmarkt ebenfalls massiv betroffen. „Die Zeit drängt und die Landwirtschaftskammer fordert daher in den laufenden Freihandelsgesprächen eine entsprechende Kompromissbereitschaft dies- und jenseits des Ärmelkanals, sodass neben der Bewältigung der aktuellen Corona-Wirtschaftskrise ein weiteres größeres Marktproblem wirksam verhindert werden kann“, betont LK-Präsidentin Michaela Langer-Weninger.