Die Arbeitstagung der Landwirtschaftskammer Oberösterreich stand ganz im Zeichen
der aktuellen Entwicklungen auf EU-Ebene. Im Mittelpunkt standen der neue Mehrjährige
Finanzrahmen (MFR) ab 2028 und die brisanten handelspolitischen Themen, welche
die heimische Landwirtschaft vor große Herausforderungen stellen.
Die Präsentation von Ferdinand
Lembacher, Generalsekretär
LK Österreich, und Verena
Scherfranz, LK Österreich-Büro
in Brüssel, bot einen tiefen Einblick
in die geplanten Reformen
und deren Auswirkungen
auf die bäuerlichen Betriebe.
Umbruch statt Evolution
Die EU-Kommission präsentierte
im Juli 2025 ihren Vorschlag
für den neuen Mehrjährigen
Finanzrahmen (MFR)
2028–2034. Dieser Entwurf
bringt – so die Formulierung
der Expertin Scherfranz – „auf
europäischer Ebene einen Umbruch
statt einer Weiterentwicklung,
also eine komplette
Neuordnung“. Im Vergleich
zum aktuellen Rahmen bis
2027, der noch auf 52 Fonds
und eine klare Zweckbindung
der Agrargelder setzte, ist eine
grundlegende Neustrukturierung
geplant. Künftig sollen
nur noch 16 Fonds mit einem
Gesamtvolumen von rund
zwei Billionen Euro bestehen.
Besonders kritisch aus Sicht
der Landwirtschaft: Die Gemeinsame
Agrarpolitik (GAP)
verliert ihre Sonderstellung
und wird in einen „Nationalen
und Regionalen Partnerschaftsfonds“
integriert. Für
die zweckgewidmete GAP-Einkommensunterstützung
sind
294 Milliarden Euro vorgesehen,
was einer Kürzung um 20
Prozent entspricht.
Die neue GAP sieht eine Vielzahl
von Interventionen vor,
darunter eine degressive flächenbezogene
Einkommensstützung,
gekoppelte Zahlungen,
Agrarumwelt- und Klimaaktionen,
Unterstützung
für Junglandwirtinnen und
Junglandwirte, Investitionen
und Krisenzahlungen. Die Finanzierung
erfolgt teils zu 100
Prozent aus EU-Mitteln, teils
mit nationaler Kofinanzierung.
Trotz der Anerkennung
der Landwirtschaft als „strategischer
Sektor mit großen
Herausforderungen“ drohen
massive Einschnitte bei den
Fördermitteln. Dies gefährdet
insbesondere die kleinstrukturierte,
multifunktionale Landwirtschaft
in Österreich.
Die bisherige zweite Säule
der GAP, essenziell für Umwelt-,
Klima- und Strukturmaßnahmen,
ist nicht mehr
gesondert abgesichert. Viele
Maßnahmen wären künftig
nicht mehr zweckgewidmet
und stehen im Wettbewerb mit
anderen Sektoren. In der nachfolgenden
Diskussion brachte
der Präsident der Landwirtschaftskammer
OÖ, Franz Waldenberger,
die Bedenken der
Interessenvertretung auf den
Punkt: „Unsere bäuerlichen Familienbetriebe
stehen mit dem
neuen EU-Finanzrahmen und
der geplanten GAP-Reform vor
existenziellen Unsicherheiten.
Wir befürchten, dass durch
die massiven Kürzungen und
die fehlende Zweckbindung
der Agrargelder viele Betriebe
ihre wirtschaftliche Grundlage
verlieren. Gerade kleinere
und mittlere Höfe sehen sich
einem Verteilungskampf mit
anderen Sektoren ausgesetzt
– Planungssicherheit und Verlässlichkeit
gehen verloren. Die
Gefahr ist groß, dass Umweltund
Klimaleistungen, die bisher
durch die zweite Säule abgesichert
waren, künftig nicht
mehr ausreichend honoriert
werden. Wir fordern daher: Die
GAP muss eigenständig und
zweckgebunden bleiben, damit
unsere Betriebe weiterhin
nachhaltig wirtschaften können.“
Die Beratungen zu den
vorliegenden Kommissionsentwürfen
sind gerade erst angelaufen
und erfordern in den
kommenden Jahren noch erhebliche
Verbesserungen und
letztlich auch die Zustimmung
aller EU-Mitgliedstaaten.
Handelspolitik: Risiken durch neue Abkommen
Ein zweiter Schwerpunkt der
Tagung waren die aktuellen
handelspolitischen Entwicklungen.
Die EU verhandelt derzeit
mit zahlreichen Drittstaaten
– darunter die Ukraine, die
Mercosur-Staaten und die USA.
Nach dem russischen Angriffskrieg
wurden die Märkte für die
Ukraine weitgehend geöffnet.
Für sensible Produkte wie Weizen,
Zucker, Geflügel und Eier
wurden jedoch später wieder
Obergrenzen und neue Quoten
eingeführt. Die derzeit vorgeschlagenen
Zollkontingente
sollen gegenüber den vergangenen
drei Jahren eine wesentliche
Verbesserung für den
EU-Agrarmarkt bringen, stellen
aber in mehreren Produktionssparten
– insbesondere bei
Zucker – weiterhin eine enorme
Herausforderung dar. Es
braucht daher strenge Schutzklauseln
sowie die Einhaltung
von EU-Produktionsstandards.
Mercosur
Nach 25 Jahren Verhandlungen
steht das Abkommen vor
der Ratifizierung. Während für
einige EU-Produkte (z. B. Wein,
Käse) neue Exportchancen entstehen,
überwiegen aus Sicht
der Landwirtschaft die Risiken.
„Das Mercosur-Abkommen in
seiner jetzigen Form ist für unsere
Landwirtschaft nicht tragbar.
Neue Importkontingente
für Rindfleisch, Geflügel, Zucker
und Bioethanol setzen die
heimische Produktion massiv
unter Druck und gefährden
die Existenz vieler bäuerlicher
Betriebe. Besonders besorgniserregend
ist, dass im Mercosur-
Raum Sozial-, Umweltund
Tierwohlstandards nicht
durchgesetzt werden können
– das führt zu massiven Wettbewerbsnachteilen.
Hinzu
kommt: Die Summe der Handelsabkommen
– auch die neuen
Zölle der USA – bedrohen
die Wertschöpfung in der gesamten
EU-Landwirtschaft. Die
vorgesehenen Schutzmaßnahmen
sind nicht überzeugend
und nicht ausreichend. Daher
lehnen wir Mercosur weiterhin
klar ab“, erklärt Waldenberger.
Landwirtschaft fordert Kurskorrektur
Die geplanten EU-Reformen
und Handelsabkommen bergen
also erhebliche Risiken für
die heimische Landwirtschaft.
Die bäuerlichen Betriebe fordern
Planungssicherheit, faire
Wettbewerbsbedingungen und
eine starke Stimme im europäischen
Entscheidungsprozess.
Die Landwirtschaftskammer
OÖ wird sich weiterhin für die
Interessen der Landwirtinnen
und Landwirte einsetzen und
fordert von der Politik eine
Kurskorrektur zugunsten einer
starken und zukunftssicheren
Landwirtschaft in Österreich
und Europa.