Der Klimawandel trifft Österreichs und Bayerns Wälder mit voller Wucht. Das wurde bei
einer Exkursion nach Bayern und ins Traunviertel deutlich. Doch die Experten versuchen,
den Wald für die Zukunft zu rüsten. Wie das gelingen kann, konnten Interessierte im Zentrum
Wald Forst Holz in Weihenstephan und auch im Waldcampus Traunkirchen lernen.
Der Klimawandel trifft Österreichs
und auch Bayerns Wälder
mit voller Wucht. In Österreich
ist die Jahres-Temperatur
seit 1880 bereits um rund zwei
Grad gestiegen. Die Fichte leidet
besonders darunter – jahrzehntelang
war sie die dominierende
Baumart und wirtschaftliche
Grundlage vieler
Waldbesitzer. Doch hohe Temperaturen,
längere Trockenperioden
und Schädlinge wie der
Borkenkäfer setzen dem „Brotbaum“
der Forstwirtschaft
massiv zu. Bei der Exkursion
nach Bayern wurde deutlich:
Die Fichte wird in Bayern bis
zum Jahr 2100 auf rund drei
Viertel ihrer heutigen Standorte
nur noch als Mischbaumart
vorkommen. „Den einen
Baum der Zukunft gibt es leider
nicht“, so Muhidin Seho vom
Bayerischen Amt für Waldgenetik
(AWG). In der Nähe von
Freilassing gewann man Einblicke
in aktuelle Forschung
und Praxis zur Anpassung der
Wälder an den Klimawandel.
Eine zentrale Anlaufstelle dabei
ist das Bayerische Amt für
Waldgenetik. Dieses betreibt
seit über zwei Jahrzehnten genetische
Forschung an Bäumen.
Mithilfe von DNA-Analysen
wird untersucht, welche
Baumherkünfte widerstandsfähiger
gegenüber Hitze, Trockenheit
oder Frost sind. Die
genetische Vielfalt spielt eine
entscheidende Rolle für die Anpassungsfähigkeit
kommender
Waldgenerationen. Besonders
im Fokus stehen dabei auch
seltene oder wärmeliebende
Baumarten wie die Kalabrische
Weißtanne, deren Samen aus
Süditalien nun unter kontrollierten
Bedingungen in Bayern
und Österreich getestet werden.
„Wie an der Börse müssen
wir das Risiko streuen“, so
Seho. Statt auf Monokulturen
zu setzen, sollen Mischwälder
mit vier bis sechs Baumarten
entstehen. Fällt eine Art
aus, können andere den Bestand
stützen. Grundlage dafür
ist eine detaillierte Standortanalyse
– je nach Boden und
Mikroklima empfehlen sich
unterschiedliche Arten. Besonders
genannt werden Eichenarten,
Kiefer, Weißtanne sowie
Elsbeere und Spitzahorn.
Ein weiterer wichtiger Baustein
ist die Zusammenarbeit
mit privaten Waldbesitzern. In
Bayern fördert der Staat sogenannte
Praxisanbauversuche:
Land- und Forstwirte pflanzen
unter wissenschaftlicher Begleitung
neue Baumarten an.
So entstehen wertvolle Daten
über das Wachstum und die
Widerstandsfähigkeit unter
realen Bedingungen. In Österreich
fehlt ein solches Förderprogramm
bisher – doch die LK
OÖ will sich für dessen Einführung
stark machen.
Für Daniel Müller, Forstbetriebsleiter
bei den Bayerischen
Staatsforsten im Raum
Freilassing/Inzell, der 28.000
Hektar Wald betreut, ist es die
größte Herausforderung, gegen
den Klimawandel resiliente
Wälder zu schaffen. „Mein Ziel ist es, möglichst auf der ganzen
Fläche eine Verjüngung
zu haben“, erläutert Müller,
der auch für die nachhaltige
Waldbewirtschaftung plädiert.
„Wenn wir den Wald dauerhaft
erhalten wollen, macht es keinen
Sinn, Wälder aus der Nutzung
zu nehmen“, ist Müller
überzeugt.
Beim Besuch des „Zentrums
für Wald-Forst-Holz Weihenstephan“
in Freising (Bayern),
in dem die TU München, die
Hochschule und die Bayerische
Landesanstalt für Waldund
Forstwirtschaft gemeinsam
rund 10.000 Studierende
ausbilden, wurde deutlich,
dass unter dem Klimawandel
bislang vor allem die Fichtenbeständ im trockenen Frankenwald
im Norden Bayerns
gelitten haben.
Forstpersonal von morgen
Die Forstliche Ausbildungsstätte
Traunkirchen (FAST)
am Waldcampus Österreich
ist eine der führenden Ausbildungsstätten
für nachhaltige
Forstwirtschaft in Europa. Sie
ist Teil des Bundesforschungszentrums
für Wald (BFW) und
bietet jährlich rund 6.000 Teilnehmenden
praxisnahe Kurse
– von Motorsägen-Trainings
bis hin zu Waldpädagogik und
forstlicher Staatsprüfung.
Der Standort beherbergt
neben der Forstlichen Ausbildungsstätte
Traunkirchen
(FAST) auch das Schutzwaldzentrum,
den Österreichischen
Einforstungsverband sowie
die Forstfachschule Traunkirchen,
die rund 100 Schülerinnen
und Schüler ausbildet.
Mit der Eröffnung im Jahr 2018
entstand hier eines der modernsten
und größten Waldkompetenzzentren
Europas.
Rund 70 Mitarbeitende sorgen
für einen reibungslosen Betrieb
und ein vielfältiges Bildungsangebot.
„Der Waldcampus
vereint Wissenschaft, Ausbildung
und Praxis an einem
Ort – und bildet die Grundlage
für eine zukunftsfähige, nachhaltige
Waldwirtschaft in Österreich
und weit darüber hinaus.
Unser größtes Thema ist
die sichere Waldarbeit, denn
eines unser wesentlichen Ziele
ist, die Zahl der schweren Forstunfälle
zu reduzieren“, erläutert
Waldcampus-Direktor Florian
Hader.
„Der Wald erlebt gerade einen
tiefgreifenden Wandel.
Wir müssen heute die Bäume
pflanzen, die in 80 bis 100 Jahren
den Wald bilden werden.
Die Zeit drängt. Der Umbau
der Wälder ist eine Generationenaufgabe
– aber sie beginnt
jetzt“, betont Franz Waldenberger,
Präsident der LK OÖ.
Waldenberger ist überzeugt:
„Bayern und Österreich handeln
in Bezug auf den Umbau
des Waldes in Richtung Klimafitness
sehr vorausschauend.
Das Waldbild wird sich aber
verändern, darauf müssen sich
die Gesellschaft und auch die
Waldbesitzer vorbereiten.“
Kammerdirektor Karl Dietachmair
ergänzt: „Das Ziel ist
nicht die Teilung des Waldes in
einen Naturschutz- und einen
Wirtschaftswald, sondern die
Zielvorgaben müssen an einund
derselben Fläche erfüllt
werden können. Das wird ein
Marathonlauf gemeinsam mit
den Waldeigentümern werden.
Österreich wird aber nur dann
ein Waldland bleiben, wenn
wir aktiv in die Bewirtschaftung
eingreifen.“
2008 erfüllte sich Walter
Hackmair einen Traum und
kaufte am Gmundnerberg 60
Hektar Wald. Heute umfasst
der Betrieb rund 100 Hektar
Wald und vier Hektar Wiesen.
Enkel Thomas Kaltenbrunner
ist inzwischen Pächter. Von
Anfang an war für Hackmair
klar: Ein detaillierter Überblick
über den Bestand ist nötig.
Der Waldwirtschaftsplan der
LK OÖ war dafür das perfekte
Werkzeug. Bis heute dient er
der exakten Planung – besonders
bei Schlägerungen, Pflegeeingriffen
und der Beantragung
von Förderungen. Beim
Kauf zeigte sich: Fast die Hälfte
des Bestands war Buche, zwei
Fünftel der Fläche über 80 Jahre
alt. Heute dominieren Fichte
und Buche mit je 42 Prozent.
Dazu kommen Lärche (sechs
Prozent), sowie kleinere Anteile
an Tanne und Ahorn. Insgesamt
wachsen auf dem Betrieb
heute 13 Baumarten. Ein besonderer
Aspekt in dieser Region
ist die Dominanz der Buche.
Weil die Fichte über Jahrhunderte
hinweg intensiv für
die Befeuerung der Sudhäuser
geschlägert wurde, konnte sich
die Buche in vielen Wäldern
ausbreiten. Ohne gezielte forstliche
Eingriffe droht heute vielerorts
eine Buchen-Monokultur.
Diese mag auf den ersten
Blick naturnah wirken, ist aber
auch anfällig für Klimastress
wie die Fichte und wenig anpassungsfähig.
Ein großes Ziel der Familie
Hackmair-Kaltenbrunner: die
Umstellung auf Naturverjüngung.
Denn wer den Wald sich
selbst erneuern lässt, spart auf
lange Sicht viel Geld. Thomas
setzt auch verstärkt auf Pflege
– Dickungspflege, Läuterung
und Durchforstung stehen
ganz oben auf der Liste. Auch
Endnutzungen und Seilkraneinsätze
organisiert er selbst.
Ebenso entscheidend ist die
Instandhaltung der Infrastruktur.
Die von der Familie selbst
errichtete Forststraße ist weit
mehr als ein Weg – sie ist Zugang,
Schutzmaßnahme und
wirtschaftliche Lebensader
zugleich. „Ohne unsere Forststraßen
sind weder Pflege noch
Holzernte
möglich, und auch
im Ernstfall fehlt der schnelle,
sichere Zugang zum Wald“, ist
Thomas Kaltenbrunner überzeugt.