Landwirtschaft und EU: aktuelle Entwicklungen
Im Rahmen der Arbeitstagung
referierte Markus Hopfner,
stv. Sektionsleiter der Sektion
Landwirtschaft und ländliche
Entwicklung und Leiter
der Abteilung Koordination
GAP-Strategiepläne und EU-Fischereifonds
im Bundesministerium
für Land- und Forstwirtschaft,
Regionen und Wasserwirtschaft
(BML) über Entwicklungen
in der EU-Agrarpolitik,
bevor Bundesminister
Norbert Totschnig auf aktuelle
Themen einging.
Die Europäischen Union verfügt
über eine eigenständige
Rechtsordnung, die sich direkt
und indirekt auf die Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten
auswirkt. Damit einher geht
der Grundsatz des Vorrangs
von EU-Recht. Nur unter Einhaltung
dieses Prinzips kann
sichergestellt werden, dass im
Rechtsraum der EU Kohärenz
und Einheit gegeben ist.
Auf die Gesetzgebung nehmen
die verschiedenen Organe
der EU in unterschiedlichem
Ausmaß Einfluss. Der Europäische
Rat, dem die 27 Staatsund
Regierungschefs angehören,
gibt eine allgemeine politische
Richtung vor. Von Seiten
der Europäischen Kommission
werden Rechtsakte vorgeschlagen
und vorbereitet. Die 720
Abgeordneten des Parlaments
und der Rat der EU Ministerinnen
und Minister sind in die
Rechtssetzung eingebunden.
Im Rat, dessen Vorsitz halbjährlich
ein anderer Mitgliedstaat
inne hat (ab 1. Juli Ungarn),
werden in regelmäßigen Sitzungen
von den Ministerinnen
und Ministern politische Maßnahmen
der EU-Länder zu verschiedenen
Themenbereichen
koordiniert und abgestimmt.
Die Bereiche Nahrungsmittelerzeugung,
ländliche Entwicklung
und Bewirtschaftung der
Fischbestände werden von der
Ratsformation „Landwirtschaft
und Fischerei“ abgedeckt.
Im Juni wurden Abgeordnete
für ein neues EU-Parlament
gewählt. Das neue Parlament
wählt in der Folge eine Präsidentin
oder einen Präsidenten
des Europäischen Parlaments
sowie der Kommission und bestätigt
das vorgeschlagene Kollegium
der Kommissionsmitglieder.
Österreich wird durch
20 Abgeordnete im Parlament
vertreten sein. Azyklisch zu
den Parlamentswahlen bzw.
der Funktionsperiode der Kommission
findet die Festlegung
des Mehrjährigen EU-Finanzrahmens
(MFR) statt. Dieser erstreckt
sich über sieben Jahre
und legt die Mittelaufbringung
und die jährlichen Höchstbeträge
für Ausgaben aus dem
EU-Budget in verschiedenen
Bereichen fest – und somit auch
die politischen Prioritäten der
EU. Für den Zeitraum 2021 bis
2027 wurden 2.018 Milliarden
Euro verschiedenen Bereichen
zugeordnet, die Gemeinsame
Agrarpolitik (GAP) steht hier
hinter der Kohäsionspolitik
mit einer Zuwendung von 387
Mrd. Euro an zweiter Stelle. Ein
Teil der Mittel stammt nicht aus
dem MFR, sondern aus dem zusätzlich
vereinbarten Instrument
„Next Generation EU“.
Für den MFR ab 2028 stehen intensive,
mehrjährige Verhandlungen
bevor.
Eine weitere aktuelle Herausforderung
der EU sind die Erweiterungsverhandlungen
mit
neun Beitrittskandidatenländern.
Zudem wird an der Ausarbeitung
der neuen Periode der
GAP gearbeitet. Die Ziele der europäischen
Agrarpolitik sind im
Vertrag über die Arbeitsweise der
EU festgelegt. Seit den Anfängen
einer gemeinsamen Agrarpolitik
in den 1960er Jahren haben sich
die Schwerpunkte verändert.
Stand damals die Versorgung
der Bevölkerung mit leistbaren
Lebensmitteln über allem, kamen
über die Jahre auch Wettbewerbsfähigkeit
auf einem globalen
Markt und mit der Agenda
2000 der Fokus auf Nachhaltigkeit
hinzu. Die aktuelle GAP-Periode
(2023 bis 2027) legt das
Augenmerk auf Zielorientierung
und eine Vertiefung der Umweltwirkungen.
Ein Strategieplan
beinhaltet Interventionen
der ersten und zweiten Säule,
also der Direktzahlungen und
Projektmaßnahmen sowie des
Sektors Wein, Obst und Gemüse
und Imkerei, die dazu beitragen,
die zehn Ziele der GAP (wie Wettbewerbsfähigkeit, gerechtes
Einkommen, Umweltschutz) zu
erreichen. Die Mitgliedsstaaten
können entscheiden, wo sie die
Schwerpunkte legen und ihren
Strategieplan dementsprechend
gestalten. Für Österreich stehen
die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit
und Resilienz der landwirtschaftlichen
Betriebe, die
Sicherung der Ernährung der
Bevölkerung, der Ausbau des
hohen Niveaus an Ressourcenund
Klimaschutz, die Förderung
von Wissenstransfer, Beratung,
Innovation und Zusammenarbeit
und die Verbesserung der
Vitalität und Lebensqualität in
ländlichen Gebieten im Vordergrund.
Insgesamt stehen hierfür
für fünf Jahre 9.470 Millionen
Euro zur Verfügung (inklusive
Top-ups der Länder und Sonderpakete
der Regierung). Die Ausrichtung
des österreichischen
GAP-Strategieplans orientiert
sich an der Kontinuität bei Direktzahlungen,
am freiwilligen
Ansatz zur Teilnahme am Agrarumweltprogramm
ÖPUL mit
hoher Umweltwirkung, an der
Weiterführung der Ausgleichszulage
für benachteiligte Gebiete
und an der Weiterentwicklung
der Investitionsförderung.
Außerdem soll eine Erhöhung
der Wertschöpfung erreicht und
der ländliche Raum als attraktiver
Lebensraum gestärkt werden.
Um auf geänderte Rahmenbedingungen
reagieren zu können,
werden Anpassungen des
GAP-Strategieplans vorgenommen.
In die aktuelle Änderung
wird die Umsetzung des Impulsprogramms
ab dem Antragsjahr
2024 mitaufgenommen, die
mit einer Prämienanhebung
im ÖPUL und der AZ einhergeht.
Bei Projektmaßnahmen,
den Sektorprogrammen und im
ÖPUL wurden auch inhaltliche
Änderungen umgesetzt, wie
etwa die Ergänzung von Fördergegenständen
und Mittelverschiebungen.
Ziel ist es, den
Anreiz zur Umsetzung der Interventionen
größtmöglich zu
machen, um eine vollständige
Mittelausnutzung zu erreichen.
Im Zusammenhang mit den
Protesten der Landwirte zu Beginn
des Jahres wurden Änderungen
an den Konditionalitäten
ermöglicht. So kann GLÖZ
7 künftig auch mit der Anbaudiversifizierung
erfüllt werden,
während die verpflichtende
Stilllegung in GLÖZ 8 gestrichen
bzw. in eine Ökoregelung
umgewandelt wurde. Die Prämien
für UBB und Bio im Acker
werden angehoben. Für Betriebe
unter zehn Hektar gilt die
Ausnahme, dass bei diesen keine
Kontrollen zu den Konditionalitäten
stattfinden. Aktuell
beschäftigen einige Legislativprozesse
die Landwirtschaftspolitik
und sind in ihrer Umsetzung
für die Landwirte von
höchstem Interesse. So zum
Beispiel die Verordnung zu neuen
genomischen Techniken, die
Entwaldungsverordnung, die
Bodenmonitoring-Richtlinie
oder erst jüngst die Wiederherstellungs-
Verordnung (Renaturierung).
Zeit nach 2027
Für die GAP nach 2027 laufen
bereits Vorbereitungsarbeiten.
National wurde mit der
Vision 2028+ ein Diskussionsprozess
über die zukünftigen
Schwerpunkte der Landwirtschaft
angestoßen, auf europäischer
Ebene wurde mit dem
Strategischen Dialog ein Prozess
gestartet, dessen Fokus auf
der Überwindung der Polarisierung
bei Landwirtschaftsund
Umweltthemen und der
damit einhergehenden Politik
sowie der Vereinbarkeit der
Wettbewerbsfähigkeit mit dem
Schutz der Natur liegt. Ein erster
Legislativvorschlag wird voraussichtlich
im Herbst 2025
zur Diskussion vorliegen. Dabei
gibt es einige Punkte, die
für die Zukunft der GAP eine
wesentliche Rolle spielen: welche
Anforderungen werden
mit den Direktzahlungen verknüpft
sein, welche Rolle spielt
die Verpflichtung zu Risikomanagement
Maßnahmen,
welche Auswirkungen werden
andere Verordnungen auf die
Landwirtschaft haben und vor
allem: wie wird das GAP Budget
im Rahmen des nächsten MFR
bemessen sein?
„Gemeinsam stärker in die Zukunft“
Unter dieses Motto stellte
Bundesminister Norbert
Totschnig sein Referat bei
der Arbeitstagung der LK OÖ.
„Schwankende Preise, steigende
gesellschaftliche Ansprüche,
eine aktuell sinkende Zahlungsbereitschaft
der Konsumenten,
wachsende Bürokratie
oder der Klimawandel. Um
diesen Hürden zu begegnen,
braucht es klare agrarpolitische
Perspektiven und Rahmenbedingungen.
Deshalb haben wir
die VISION 2028+ mit über
170 Maßnahmen auf den Weg
gebracht. Der Weg hin zu einer
zukunftsfähigen Landwirtschaft
hat damit wieder ein tragfähiges
Fundament“, betonte der
Minister. Möglich sei eine positive
Entwicklung der Land- und
Forstwirtschaft dann, wenn
sich diese dem Dialog stelle:
„Wir stehen vor zahlreichen
Herausforderungen,
z. B. dem Klimawandel oder
der zunehmenden Bürokratie
durch den EU-Green Deal. All
diese Herausforderungen werden
wir nur mit Zusammenhalt,
Dialog und Fakten statt Fake
News meistern können. Ich
stehe hinter den Bäuerinnen
und Bauern – im Gegensatz
zu immer lauter werdenden
landwirtschaftsfernen Gruppierungen,
die gegen Eigentum
und für eine Bevormundung
in der Lebensmittelproduktion
Stimmung machen.“
Auch auf die Renaturierungs-
Verordnung ging Totschnig
ein: „Bundesministerin
Gewessler hat entgegen der
Rechtsmeinung des Verfassungsdienstes
für ein umstrittenes
EU-Gesetz gestimmt
und Rechtsbruch begangen.
Damit wir hierzulande weiterhin
gesunde Wälder, Seen
mit Trinkwasserqualität und
Naturparadiese bis hinauf zu
unseren Almen sichern können,
brauchen wir eine Politik der
Anreize anstatt der Verbote.
Gleichzeitig müssen wir die
Bevölkerung in den Regionen
mitnehmen und auf regionale
Bedürfnisse eingehen“, so
Minister Totschnig in Linz.