"Alle waren auf die Ernte gespannt"
Österreichs PV-Anlagen lieferten im Vorjahr 3,8 Terawattstunden Strom. Um im Jahr 2040 das erklärte Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, muss die Erzeugung von PV-Strom in den kommenden Jahren mehr als verzehnfacht werden. Auch viele Energieexpertinnen und -experten sind überzeugt: Ein Teil des benötigten Aufkomens muss aus der Agri-Photovoltaik kommen. Doch wie praxistauglich ist die Technik?
Die EWS Consulting GmbH aus dem oberösterreichischen Munderfing und der Projektpartner Energiepark Bruck/Leitha haben im August 2021 vom Klima- und Energiefonds den Zuschlag für die Errichtung eines "Muster- und Leuchtturmprojekts für Photovoltaik" erhalten. Nach einem Jahr Planung wurde Ende 2022 in Bruck an der Leitha das "EWS Sonnenfeld" errichtet. Die Forschungsfläche ist 5,5 ha groß, die Bewirtschaftung der Ackerflächen erfolgt gemeinsam mit den Grundbesitzerinnen und Grundbesitzern.
Industriekomponenten sind praxiserprobt
Im Mittelpunkt steht bei dieser Anlage die Nutzung industriell gefertigter Montagesysteme, die praxiserprobt und meist auch relativ kostengünstig zu haben sind. Die nachgeführten Modultische sollen einen maximalen Stromertrag bei minimalen Flächenverlusten ermöglichen
Um die Auswirkungen auf die Stromerträge und die landwirtschaftlichen Erträge untersuchen zu können, wurden die Modultischreihen mit unterschiedlichen Achsabständen von 8, 11 und 14 m errichtet. Zwischen den Modulreihen hat man verschiedene Kulturen wie Weizen, Soja, Mohn, Körnerhirse und auch Kartoffel angebaut. Somit wurde heuer erstmals eine Ernte eingebracht und es gibt Zahlen und Erfahrungen. "Die Aufregung war natürlich groß, als der Mähdrescher auffuhr. Alle am Projekt Beteiligten und vor allem auch die Landwirte wollten unmittelbar sehen, wie der Mähdrescher am Sonnenfeld zurechtkommt", schildert Joachim Payr, der mit seinem Team das EWS Sonnenfeld entwickelt hat, die Ernte.
Erträge im ersten Jahr zufriedenstellend
Laut EWS ist etwa der Weizen sehr gleichmäßig und homogen gewachsen und es waren augenscheinlich keine Wuchsunterschiede zu erkennen. Die genauen Daten werden derzeit von der Boku, die in das Projekt eingebunden ist, ausgewertet. Erste Zahlen etwa bei der Körnerhirse zeigen, dass die Erträge im Vergleich zur unbeschatteten Referenzfläche zwischen 77 - 92% erreicht haben. Payr: "Man muss aber klar sagen, dass ein einzelnes Jahr wohl noch keine genauen Prognosen zulässt. Alleine die vielen Niederschläge im Frühjahr waren durchaus untypisch für diese Region." Für die Kulturen selbst lassen sich mit dem System der EWS 80% der ursprünglichen Fläche nutzen. 18% - und das sind die unmittelbaren Flächen unter den Modulen - sind Blühstreifen, die als Biodiversitätsflächen beantragt werden können. Durch die Rammpfähle und Trafostationen gehen lediglich nur 2% der Fläche verloren bzw. werden zur Solarstromerzeugung genutzt.
Für die Ernte wurden Lohndrescher eingesetzt. Payr: "Dafür werden die Module in eine 70°-Stellung gebracht. Damit kann der Mähdrescher sehr gut zwischen den Modulen durchfahren. Dabei hat sich auch gezeigt, dass ein Modulabstand von 11 m optimal ist.“ Nur bei den Modulreihen mit einem Abstand von 8 m musste die Erntegeschwindigkeit reduziert werden. Sehr erfreulich war auch, dass keines der Module beschädigt wurde. Und wie zufrieden sind die Landwirte mit den Erträgen und der Anlage? Payr: "Spätestens seit der Ernte ist für sie das Thema ausdiskutiert, alle sind überzeugt, dass es gut funktioniert. Für die EWS geht es jetzt darum, die Steuerung weiter zu optimieren und Erkenntnisse aus der Praxis und den wissenschaftlichen Erhebungen einfließen zu lassen. Damit soll künftig in Hitzejahren eine Teilbeschattung der Kulturen ebenso möglich werden wie spezielle Modulstellungen während intensiver Wachstumsphasen."
Module per App in die Erntestellung bringen
Für die Bearbeitung der Flächen lassen sich die PV-Module per Handy-App in eine waagrechte oder auch beinahe senkrechte 70°-Stellung bringen. Durch den so entstehenden Tunneleffekt zieht der Staub gut ab, die Module verschmutzen kaum. Bei sehr niedrigen Kulturen wie Sojabohne können die Module für einen besseren Steinschlagschutz auch waagrecht gestellt werden. Bei der Ernte 2023 gab es keine Schäden. Da die Teile verschraubt sind, lassen sie sich aber auch im Fall des Falles einfach austauschen.
Welche Herausforderungen gibt es bei Agri-PV noch zu meistern?
Es wird viel von Agri-PV gesprochen, konkrete Projekte gibt es aber noch wenig. Was ist der Grund?
JOACHIM PAYR: Auch wenn die Notwendigkeit für den Ausbau von Solarenergie außer Zweifel steht, sind die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen noch in vielen Bereichen unklar. Das beginnt bei der Widmung, den unterschiedlichen Definitionen von Agri-PV und betrifft auch steuerliche Fragen. Projekte wie das EWS Sonnenfeld tragen dazu bei, solche Hürden aus dem Weg zu räumen, weil auch die Behörden Erfahrungen sammeln.
Was sind wesentliche Erkenntnisse des Projektes aus landwirtschaftlicher Sicht?
Die Anlage zeigt, dass die Erträge der Kulturen relativ hoch sind und auch die Qualität passt. Es gibt aber auch Dinge, die wir noch besser machen können. Wir haben die Anlage bei feuchten Bodenverhältnissen installiert und so kam es durch das Befahren mit den Maschinen in manchen Bereichen zu Bodenverdichtungen. Darauf werden wir künftig besser achten. Auch der Zaun um die Anlage behindert bei der Bewirtschaftung oftmals mehr als die Module selbst. Hier wollen wir die Anlagen so weiterentwickeln, dass man sich diese sparen kann.
Wie groß ist das Interesse der Landwirtschaft?
Wir haben viele Anfragen und in jedem Bundesland gibt es mehr oder weniger fortgeschrittene Pläne für Projekte. Viele sind derzeit in der Phase der Genehmigung.
Ab welchen Flächengrößen lohnt sich die Errichtung solcher Anlagen überhaupt?
Aufgrund der Kostendeggression macht es Sinn, dass die Fläche zumindest 5 ha groß ist. Diese muss allerdings nicht von einem Grundbesitzer/einer Grundbesitzerin stammen und denkbar sind natürlich auch Bürgerbeteiligungsmodelle.
Welche Kulturen eignen sich aus Ihrer Sicht für Agri-PV?
Das EWS Sonnenfeld wurde für Ackerbau und Grünland entwickelt. Grundsätzlich ist alles möglich, was nicht höher als 1,5 m wächst. Damit scheiden etwa Mais und Sonnenblumen aus. Alle anderen Acker- und Grünlandkulturen sind möglich. Im Obst- und Weinbau braucht es andere Agri-PV-Systeme.
Wie wirtschaftlich sind diese Anlagen – der Mehraufwand durch die schwenkbaren Module ist sicher ein Thema?
Die Nachführung und die bifaszialen Module verursachen bei der Errichtung einen Mehraufwand von ca. 20% gegenüber aufgeständerten Freiflächenanlagen. Im Gegenzug erhält man aber auch einen Mehrertrag in dieser Größenordnung. Für Agri-PV-Anlagen gibt es zusätzlich beim Tarifausschreibeverfahren einen 25%igen Bonus - das ist ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt.