Plastik ist Wertstoff, nicht bloß Abfall
Viele Landwirte kennen das Problem mit weggeworfenen Abfällen auf ihren Feldern und Wiesen. Gerade neben Straßen tritt dieses ganz besonders auf. Mehrmals im Jahr müssen die Bäuerinnen und Bauern ihren Grund und Boden von Müll befreien, der achtlos aus dem Auto geworfen wurde. Einweg-Plastikflaschen finden sich besonders häufig an den Weg- und Straßenrändern. Das zeigt, dass Plastik noch nicht als Wertstoff betrachtet wird und neue Konzepte und Wege gefunden werden müssen, seine Vermeidung, Weiterverwertung und -verwendung zu attraktivieren. Vizekanzler Werner Kogler hat daher ein umfassendes Paket bis zum Jahresende angekündigt, das als zentrale Maßnahme ein Plastikpfand beinhaltet. Die Landwirtschaftskammer OÖ erwartet sich vom angekündigten Plastikpfand einen dringend benötigten Lenkungseffekt: „Wir müssen das Bewusstsein für das Problem Littering stärken, mehr auf Abfallvermeidung achten und von der Verpackung bis zur Entsorgung für mehr Nachhaltigkeit sorgen“, betonen LAbg. Michaela Langer-Weninger, Präsidentin der Landwirtschaftskammer OÖ.
Einige Zahlen des OÖ Landesabfallverbandes verdeutlichen das Problem: Pro Jahr werden entlang von Landesstraßen ca. 400 Tonnen sogenannter „gelitteter“, also aus dem Fenster geworfener Abfall, eingesammelt. Die Entsorgung kostet rund 40.000 Euro, der Arbeitsaufwand beträgt 50.000 Personenstunden. Zu mehr als 75 Prozent besteht der Abfall aus Einweggetränkeverpackungen. Auf den Wiesen und Feldern müssen die Grundeigentümer selbst für die Entsorgung des Abfalles aufkommen, wenn – wie in den allermeisten Fällen – der Verursacher nicht festzustellen ist. Anders ist die Regelung im Wald: Die Gemeinde muss im Wald abgelagerten Abfall auf ihre Kosten entfernen, wenn der Verursacher nicht festgestellt werden kann.
Recycling statt Vermüllung
Die Landwirtschaftskammer spricht sich für die Einführung eines Pfandsystems für Einwegflaschen aus, um den Anfall von Einweg-Verpackungen zu verringern und die Verschmutzung von landwirtschaftlichen Flächen einzudämmen. Vorbild dafür ist Deutschland, das bereits seit einigen Jahren 25 Cent Pfand pro Einwegflasche bzw. Getränkedose einhebt. „Wir glauben, dass ein Pfandsystem nach dem Vorbild Deutschlands sehr gut umsetzbar ist. Erst wenn wir dem Wertstoff Plastik einen kleinen symbolischen Preis geben, wird er nicht mehr achtlos weggeworfen, sondern wird der Griff zu recycelbaren Gebinden und Materialien attraktiver“, betont Langer-Weninger.
EU führt ab 2021 Plastiksteuer ein
Diese Maßnahme wird auch im Lichte des konkreten Vorhabens der EU dringend notwendig sein, den Anfall von Plastikmüll durch eine so genannte „Plastiksteuer“ zu reduzieren. Ab Jänner 2021 sind für jede Tonne Kunststoffverpackungen, welche nicht recycelt werden können, durch die EU-Mitgliedstaaten 800 Euro zu bezahlen. Dabei sind die Nationalstaaten frei in der Gestaltung, wie sie diese Mittel aufbringen. Für die EU gibt es keine Zweckwidmung. Die Wirtschaft und Industrie kritisieren dies als Wettbewerbsverzerrung und künstliche Einnahmequelle für das EU-Budget. „In der Land- und Forstwirtschaft leben wir vom Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Soweit als möglich sollte dieses auch beim Einsatz und der Wiederverwendung und -verwertung von Verpackungsmaterialien Anwendung finden. Daher sollten die auf EU-Ebene eingehobenen Finanzmittel auch gezielt in die Erforschung neuer Recyclingtechnologien und Entsorgungskonzepte fließen“, fordert Langer-Weninger.
Im EU-Vergleich weist Österreich eine sehr hohe Menge an Kunststoffabfällen auf, nämlich rund 42 Kilogramm Kunststoffmüll pro Kopf, inklusive dessen, was über den Restabfall mitgesammelt wird. Die EU-Richtlinie zum Einwegplastik sieht vor, dass bis zum Jahr 2025 Plastik zu zumindest 77 Prozent und bis zum Jahr 2029 zu zumindest 90 Prozent getrennt gesammelt und auch recycelt werden müssen. Die Sammelquote von Kunststoffflaschen beträgt aktuell in Österreich 70 Prozent. Ab Jänner 2021 fallen 80 Cent pro nichtrecycelten Kilogramm Kunststoffabfall an. Das ergäbe für Österreich Kosten in Höhe von rund 160 Millionen Euro im Jahr.
Abfall beeinträchtigt die Gesundheit unserer Tiere
„Es gibt zum Glück viele umweltbewusste Konsumenten und Autofahrer, die ihren Müll nicht einfach aus dem Fenster werfen. Mancherorts sind beobachten wir allerdings Freizeitsportler oder Wanderer, die im Wald, auf Wiesen oder Almen ihren Müll zurücklassen oder achtlos wegwerfen. Dort müssen sich dann die Grundeigentümer um den Abtransport kümmern“, erklärt Langer-Weninger. Denn Abfall, der sich unter das Futter mischt, landet im Wiederkäuermagen. Am gefährlichsten sind scharfkantige Metall- und Plastikteile, die zu tödlichen Verletzungen im Verdauungstrakt führen. Das führt nicht nur zu erheblichem Tierleid, sondern auch zu starken finanziellen Belastungen für die Landwirte.
„Die Touristen, die Oberösterreich besuchen, lieben unsere Kulturlandschaft. Nicht nur zum Schutz der Tiere müssen wir also darauf achten, diese wertvollen Landschaftsgebiete möglichst sauber zu halten. Die Bewirtschafter, zum Beispiel auf Almen, sind zudem bemüht, die Gäste und Konsumenten mit regionalen Produkten zu versorgen. Das bedeutet, dass weniger Verpackungsmaterial benötigt wird, so LK-Präsidentin Langer-Weninger.
Nachhaltigkeit bei der Verpackung betrifft Hersteller und Konsumenten
Klimaschutz und die Schonung der Ressourcen muss über den ganzen Lebenszyklus eines Produkts und seiner Verpackung im Blickpunkt stehen. Das gilt u.a. auch in der bäuerlichen Direktvermarktung. Die Funktion der Verpackung besteht im Schutz, der Aufbewahrung, der Kommunikation und der Distribution eines Lebensmittels. Direktvermarkter können durch das Naheverhältnis zum Kunden sehr oft auf Verpackung verzichten bzw. diese möglichst sparsam gestalten. Direktvermarktung braucht keine langen Transportwege und somit tragen Produkte direkt vom Bauernhof positiv zum ökologischen Fußabdruck eines Lebensmittels bei.
Die Bäuerinnen und Bauern überlegen vorab, ob und wie viel Verpackung ihre Lebensmittel brauchen und wenn ja, welche Alternativen es gibt und wie sich diese bei der Entsorgung verhalten. Sie verpacken ihre Lebensmittel sparsam und mit nachhaltigen Materialien – je nach hygienischen Erfordernissen – und ermöglichen Kunden, Lebensmittel in selbst mitgebrachten Gebinden einzukaufen. „Unsere bäuerlichen Produzenten brauchen die Verpackung nicht zu Kommunikationszwecken, weil sie selbst mit ihren Kunden direkt kommunizieren“, betont Langer-Weninger. Konsumentinnen und Konsumenten haben somit durch ihren bewussten Einkauf auch das Abfallaufkommen unmittelbar selbst in der Hand. „Nachhaltiger Konsum bedeutet, so zu leben, einzukaufen und zu kochen, dass es mir und den anderen – auch in Zukunft – gut geht“, plädiert Langer-Weninger abschließend.