Beraten statt strafen

Seit 1. Jänner 2019 gilt bei Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "Beraten statt strafen“. Zugleich soll mit einem umfangreichen Gesetzespaket mehr Transparenz und Effizienz im Verwaltungsstrafverfahren einhergehen. So sollen beispielsweise einheitliche Deliktskataloge für Straf-, Anonym- und Organstrafverfügungen geschaffen werden.
Durch angepasste Vorschriften sollen Verfahrensverschleppungen durch die Parteien verhindert werden, um zügiger zu einem Abschluss kommen zu können. Der Verwaltungsaufwand soll durch die Anwendung des Grundsatzes "Beraten statt strafen“ nicht verstärkt werden, da anstelle der zu führenden Verwaltungsstrafverfahren die Beratung treten wird.
Ermahnen und beraten
Der "Beraten statt strafen“-Grundsatz besagt, dass die Behörde vorrangig zu ermahnen und beraten hat, wenn es sich um eine geringfügige verwaltungsrechtliche Übertretung handelt und dabei weder Personen noch Sachgüter gefährdet waren. Durch Erteilung einer schriftlichen Abmahnung soll das widerrechtliche Verhalten innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können. Dauert das strafbare Verhalten trotz schriftlicher Aufforderung beziehungsweise nach Ablauf der Frist an, kann die Behörde erst weitere Strafverfolgungshandlungen setzen. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind vorsätzlich oder wiederholt begangene, gleiche Straftaten nach den jeweiligen Vewaltungsgesetzen.
Beispiel: Direktvermarktung
Ein Anwendungsbeispiel könnte etwa der Bereich der Lebensmittelkennzeichnung sein. Gerade Direktvermarkter sehen sich oft im Dschungel der Verwaltungsvorschriften verloren, weil sie für unwesentliche Kennzeichnungsabweichungen mit teils unverhältnismäßig hohen Strafen konfrontiert werden. Geringfügige Kennzeichnungsmängel – wenn etwa die Eiermenge bei einem Nudelprodukt durch einen Rechenfehler ungenau angegeben wird, auf einem Sonnenblumenöl die Bezeichnung "hoher Ölsäuregehalt“ fehlt oder beim Haltbarkeitsdatum statt "Mindestens haltbar bis Ende 2017“ "indestens haltbar bis: Ende 2017“ (Doppelpunkt!) aufgedruckt wird – dürften künftig nicht mehr automatisch zu einer finanziellen Strafe führen! Wohl aber ist mit einer Ermahnung oder Beratung zu rechnen, um derartige weitere Fehler zu vermeiden. Im Wiederholungsfall, bei vorsätzlicher Begehung oder folgenreichen Verstößen, ist aber dennoch von einer Strafe auszugehen.
Unwissenheit
Ab 2019 gilt das alte Sprichwort "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ somit nur noch eingeschränkt. Man kann künftig unter Erteilung einer Ermahnung oder Beratung straffrei gehen, wenn es aus Unkenntnis oder anderen Gründen zu unwesentlichen und folgenfreien Rechtsüberschreitungen gekommen ist. Allerdings nur einmal in derselben Angelegenheit! Kritische Stimmen befürchten, die Änderungen werden Auswirkungen auf die Moral und Rechtstreue der Bevölkerung haben. Trotzdem ist das Gesetzespaket wohl als ein Appell an mehr Hausverstand und angemessenes Augenmaß im Bürokratiedschungel Österreichs zu werten.
Verhältnismäßigkeit umgesetzt
Manche jüngst geänderte Verwaltungsgesetze haben den "Beraten statt strafen“-Grundsatz bereits umgesetzt. So bestimmt zum Beispiel das Datenschutzgesetz, dass auf die Verhältnismäßigkeit zu achten ist und insbesondere bei erstmaligen Verstößen vorrangig verwarnt wird. Diese Bestimmung bringt eine wesentliche Entschärfung, da für Übertretungen im Datenschutzrecht horrende Strafdrohungen vorgesehen sind, welche damit erst im Wiederholungsfall zur Anwendung kommen.